Die Zédolille-Windmühle
18 Einzelsegel, jeweils 20° phasenverschoben
Ich nahm 2006 mit meiner Sjölltake und dem Tirator bei den Rolex Awards for Enterprise teil und ging fest davon aus, dass ich gewinnen würde und wartete auf die Benachrichtigung. Ich hatte also etwas Zeit und mich störte, dass ich das dritte Prinzip noch nicht geknackt hatte: die Bewegung der Fisch-Schwanzflosse.
Ich tüftelte weiter, bis ich endlich einen Weg gefunden hatte, wie ich aus einer einzigen Kreisbewegung eine Lemniskate zaubern konnte, die das Segel automatisch immer in die richtige Position dreht. Dabei fand ich gleich eine ganze Familie von Lemniskaten, die alle sehr simpel herzustellen sind, noch einfacher als die Lemniskate von Bernoulli.
Die Bewegung, die ich meine, ist hier zu sehen:
schematische Darstellung des Profils in der Strömung
(die Umkehrung ergibt einen neuen Antrieb!)
(die Umkehrung ergibt einen neuen Antrieb!)
(Auf der Inhaltsseite Mathematik/Lemniskate gibt es die Lemniskate mit den Vektoren für den Wind und die Kräfte zu sehen.)
Jeder Segler weiß, dass es am Besten ist, halber Wind zu segeln. Halber Wind bedeutet, dass das Segelschiff sich in einem Kurs senkrecht zum scheinbaren Wind befindet. Und unter scheinbarem Wind versteht man den Wind, der sich ergibt, wenn man den Fahrtwind zum realen Wind dazu addiert. Da beide Winde in der Regel unterschiedliche Richtungen haben, muss man sie vektoriell addieren, dadurch ändert sich auch die Windrichtung abhängig von der Geschwindigkeit des Boots.
Die Zédolille als Holzmodell
(um das Video abzuspielen, das Bild anklicken)
Ich habe in mühsamer Holzarbeit ein Modell gebaut, das zeigen soll, dass die Mathematik, die ich mir ausgedacht habe, nicht nur als Simulation am Computer funktioniert sondern auch in der physikalischen Realität. Um das Problem mit dem Schwerpunkt zu lösen, habe ich dann 8 gleiche Lemniskaten hintereinander gruppiert und um 45° phasenverschoben. Die Übertragung läuft über zwei Pleuelstangen. Will man die Lemniskaten nebeneinander gruppieren, was besser ist, braucht man zur Übertragung Kegelzahnräder. Da hört der Holzbau qualitativ dann auf.
Das Modell ist noch nicht windtauglich, d.h. es klappert und klemmt zu viel, da man in Leichtholz in der Größe nicht so genau arbeiten kann. Und im Garten sind zu viele Windverwirbelungen. Mittlerweile ist mir noch eine Vereinfachung eingefallen.
Bei Drehbewegungen ist noch zu berücksichtigen, dass die Bahn- und damit die Windgeschwindigkeit zum Drehzentrum hin abnimmt.
Bei der Lemniskate sind drei Winkel zu optimieren, d.h. an den Wind anzupassen:
- Der Bahnwinkel α
- Der Segelwinkel β
- Der Längenwinkel γ
Da das Segel keine Energie liefert, wenn es wendet, muss mindestens ein zweites Segel phasenverschoben zu diesem mitlaufen. Es ist zu beachten, dass sich die Segel in der Luft nicht schneiden. Bei mehr als zwei Segeln läßt man sie daher entweder hinter- oder nebeneinander laufen.
Die Zédolille-Windmühle hat entscheidende Vorteile gegenüber den Propeller-Windmühlen, sie braucht schon mal keinen Masten und daher kaum ein Beton-Fundament und die überstrichene Windfläche ist mehr als doppelt so groß. Auch tötet sie direkt keine Vögel, Fledermäuse und Insekten.
Vergleich der Windflächen
der grüne Bereich wird von einer 2-Segel-Zédolille geerntet,
der rote Kreis ist die Fläche einer Propeller-Mühle
(zu beachten ist, dass der Propeller in der Mitte zu langsam und
an den Enden so schnell ist, dass er dort kaum Energie liefern kann)
der rote Kreis ist die Fläche einer Propeller-Mühle
(zu beachten ist, dass der Propeller in der Mitte zu langsam und
an den Enden so schnell ist, dass er dort kaum Energie liefern kann)
Der Winddruck
Der optimale Kurs
ein Profil mit unterschiedlichen Winkeln
blau: reale Wind; grau: Fahrtwind; hellblau: scheinbare Wind
orange: Auftriebskraft; rot: Winddruck; grün: Nutzenergie
blau: reale Wind; grau: Fahrtwind; hellblau: scheinbare Wind
orange: Auftriebskraft; rot: Winddruck; grün: Nutzenergie
Man sieht: je höher man am Wind segelt, umso überproportionaler wächst der Winddruck.
Man kann mit einer Windmühle immer mehr Energie gewinnen, wenn man sie schneller bewegen lässt. Allerdings steigt dann auch immer der Winddruck. Es ist also nicht der Wirkungsgrad der Windmühle entscheidend, sondern die Krängung. Als Krängung einer Windmühle definiere ich das Verhältnis von der Kraft senkrecht zu der Kraft in Bewegungsrichtung. Es ist also ausschlaggebend für den Wirkungsgrad, wie viel Krängung das Material der Mühle wegstecken kann. Statt härter gegen den Wind zu segeln, kann man bei der Zédolille Windmühle auch breitere Segelprofile nehmen. Das ist der Witz.
Die obige Animation besagt: nenne mir die Krängung, die dein Material aushält und ich sage dir, in welcher Richtung du mit welcher Schnelllaufzahl du das Segel am günstigsten bewegen musst.
Da sich Propeller stets in einer Ebene senkrecht zur Drehachse und damit zur Strömung bewegen, segeln sie immer hart am Wind. Im folgenden Schaubild wird das gezeigt. Das aerodynamisch geformte Profil bewegt sich entlang der gestrichelten Linie. Damit die Auftriebskraft maximal wird, muss es ca. 18° von unten vom virtuellen Wind angeströmt werden.
Profil einer Propeller-Windmühle
Bewegung senkrecht zum realen Wind
blau: reale Wind; schwarz: Auftriebskraft
violett: Bahngeschwindigkeit; grün: erwünschte Kraft
cyan: virtuelle Wind; rot: Krängung/Winddruck
blau: reale Wind; schwarz: Auftriebskraft
violett: Bahngeschwindigkeit; grün: erwünschte Kraft
cyan: virtuelle Wind; rot: Krängung/Winddruck
Man beachte, dass die Auftriebskraft immer senkrecht zum virtuellen Wind zeigt. Nur die Komponente der Kraft parallel zur Bewegungsrichtung liefert die Energie, die Komponente senkrecht dazu ist die unerwünschte Krängung bzw. Winddruck. Und die ist enorm bei der Propeller-Windmühle. Hinzu kommt, dass Krängung nicht nur auf das Profil selbst, das daher ziemlich steif sein muss, sondern auch auf die Nabe der Windmühle wirkt und diese befindet sich in 100 Meter Höhe. Also gelten die Hebelgesetze! Damit das Ganze nicht umkippt, ist ein riesiges Betonfundament von Nöten, das aufgrund der wechselnden Belastungen und Vibrationen (insbesondere, wenn die Resonanzfrequenz erwischt wird) schnell Risse bekommt, in die Wasser eindringt, dass den Stahl des Mastens korrodiert. Propeller-Windmühlen sind daher Materialfresser. Aufgrund der hohen Beanspruchung des Materials haben Propeller-Windmühlen nur eine maximale Lebenserwartung von 20 Jahren. Danach hat man dann eine Menge Sondermüll: Lacke, Glasfieber, Beton. Die Landschafts-Flächen sind dann für immer hin.
Und nun, wie es richtig gemacht wird:
Profil einer Zédolille-Windmühle
... und die Bewegung 90° + α
statt Profil nun ein Segel
wie bei einem Ultraleicht-Flugzeug
statt Profil nun ein Segel
wie bei einem Ultraleicht-Flugzeug
Dadurch dass das Profil mit dem Winkel α nach hinten schräg läuft, nimmt es dem Winddruck die Spitze. Die Segel laufen halber Wind. Abhängig vom Winkel α sinkt die Krängung, bis sie bei 35° schließlich ganz verschwindet. Deshalb braucht man keine rotierenden, gigantischen Baseball-Schläger, sondern kann auf einen leichten Segelstoff zurückgreifen (oben dunkelgrün dargestellt). Weil die Segel viel langsamer laufen, töten sie auch keine Vögel, Fledermäuse und Insekten durch Schlag. Zwar würde dadurch auch die Leistung sinken, was man aber durch mehr und/oder breitere Segel leicht kompensiert (Man beachte die doppelte Windfläche s.o.). Die Geräusche sinken damit ebenfalls. Getriebe und Generator bleiben am Boden. Dadurch sinkt die Blitzschlag-Gefahr für die teuren Sachen.
Die Schnelllaufzahl
Die Schnelllaufzahl gibt bei einer Windmühle das Verhältnis von der Bahngeschwindigkeit der Blattspitzen zur Windgeschwindigkeit an. Eine Schnelllaufzahl von 3 bedeutet also, dass sich die Blattspitzen mit der dreifachen Windgeschwindigkeit bewegen. Hat der Wind eine Geschwindigkeit von 8m/s, dann macht das eine Geschwindigkeit von 24m/s. Will man die Meter pro Sekunde Geschwindigkeit in km/h umrechnen, muss man die Zahl mit 60*60/1000 = 3,6 multiplizieren. Bei einer Schnelllaufzahl von 3 und einer Windgeschwindigkeit von 8m/s hat der Flügel also eine Geschwindigkeit von 3*8*3,6 km/h = 86,4km/h.
Die Propeller-Windmühlen haben alle eine Schnelllaufzahl von über 5, um wirtschaflich zu sein. Eine Zédolille hat eine Schnelllaufzahl von ungefähr 1 (abhängig vom Winkel α). Bei einer Windgeschwindigkeit von 8m/s hat ein Propeller-Profil also eine Geschwindigkeit von 8*5*3,6km/h = 144km/h und eine Zédolille eine von 28,8km/h.
Es ist also sonnenklar, dass Zédolille-Windmühlen anders als Propeller keine Vögel und Insekten durch Schlag töten.
Wirbelschleppen
Wegen der hohen Geschwindigkeit und der Drehung in nur eine Richtung bilden sich bei Propeller-Windmühlen lange Wirbelschleppen mit sehr chaotischer Luftströmung. Die Zédolille-Flügel bewegen sich viel langsamer und paarweise in beide Richtungen, sodass sich die Gesamtbewegung wieder ausgleicht. Die hinter einer Zédolille-Windmühle sich bildende Wirbelschleppe ist wesentlich weniger brutal für Insekten als bei Propellern und vergleichbar mit denen hinter hohen Gebäuden.
Die Propeller-Windmühlen sind damit Geschichte.
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