Die Vermutung
Es gibt bei Jobcenter zwei Typen von Gutachten: Ärztliche und psychologische.
Beim ärztlichen Gutachten wird geguckt, ob man von der Physis her arbeiten kann, bei dem psychologischen, ob es mit dem Geist klappt.
Bei beiden Gutachten-Typen muss vorher ein ausführliches Beratungsgespräch mit dem Antragssteller geführt werden, in dem die Integrationsfachkraft dem Kunden erklärt, warum sie meint, dass ein sozialmedizinisches oder ein psychologisches Gutachten erforderlich sei. Erst wenn der Antragssteller sein Ja gibt, darf wegen Art. 1 GG (Selbstbestimmungsrecht) ein konkreter Termin bei einem Arzt bzw. Psychologen gemacht und eine Untersuchung durchgeführt werden. Verweigert der Kunde das Ja, kann er nach SGB I bis zu 100% sanktioniert werden, bis er "freiwillig" Ja sagt.
Eigentlich geht es im SGB I darum, ob einem Erwerbslosen finanzielle Hilfe vom Staat zusteht oder nicht und nicht um die Gesundheit des Erwerbslosen, denn das ist ein völlig anderes Thema. Und auch und gerade behinderten Menschen steht Hilfe zu, wäre Deutschland ein tatsächlicher Sozialstaat. In Deutschland dürfen die Beamten einem Andrea Bocelli das Singen für Lohn faktisch unmöglich machen, wenn dieser Deutscher wäre, weil er blind ist und aber weniger talentierte Sänger fördern, weil sie nicht blind sind.
Bei der ärztlichen Untersuchung muss erst auf bestehende Unterlagen zurückgegriffen werden, d.h. der Kunde soll freiwillig seine medizinischen Unterlagen dem Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit in einem versiegelten Unschlag schicken, um Kosten und Doppeluntersuchungen zu vermeiden. Wegen der ärztlichen Schweigepflicht, darf der Kunde aber nicht sanktioniert werden, wenn er sich weigert, medizinische Befunde dem Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit zu schicken. Ein Arzt darf noch nicht einmal sagen, ob N.N. ihn in seiner Praxis aufgesucht hat (zumindest in tatsächlichen Rechtsstaaten). Wie will Jobcenter also wissen, ob es überhaupt ärztliche Befundunterlagen gibt? Wenn dann noch Zweifel bestehen oder der Kunde sich weigerte, die Dokumente zu schicken, dann gibt es einen zweiten Beratungstermin und dann erst darf nach einem Ja ein externes Gutachten gemacht werden. Der Kunde hat zu jeder Zeit das Recht, Einsicht in die Unterlagen zu nehmen, der zuständige Fallmanager wegen der ärztlichen Schweigepflicht nicht.
Bei einer psychologischen Begutachtung ist der Verlauf anders.
Hier muss die Integrationsfachkraft Anhaltspunkte finden, dann muss auch ein Beratungsgespräch geführt werden. Nach der Einwilligung muss der Psychologische Dienst der Agentur für Arbeit eingeschaltet werden, einen IQ-Test ähnlichen Test zu machen. Hat der hausinterne Psychologe Zweifel, muss ein erneutes Beratungsgespräch geführt werden und nach der Einwilligung erst darf ein externer Psychiater ein psychiatrisches Gutachten erstellen.
Die Integrationsfachkraft darf das Gutachten einsehen, der Kunde nicht.
Beide Gutachten-Typen bunt zu mischen, ist nicht zulässig.
Unterlagen älter als 5 Jahre sind irrelevant.
Die Schweigepflichtentbindungen sind freiwillig. Fehlt der Hinweis darauf wie hier, ist das alles nichtig.
"Das Beibringen aussagekräftiger Befundunterlagen" gehört definitiv nicht zu den Mitwirkungspflichten nach §60 SGB I, denn die ärztliche Schweigepflicht gilt für alle Menschen gleich. Hier lügt mal wieder Jobcenter bewusst. Der Gutachter soll sich bitteschön ein eigenes Bild machen, das mit den Befundunterlagen dient laut Theorie nicht zum Kopieren für den Arzt, sondern um unnötige Doppeluntersuchungen zu vermeiden.
Hier wurde das alles bequem übersprungen.
Das Amt interessiert sich für diese Fehler aber nicht (immerhin ist hier Art. 1 GG berührt: Selbstbestimmungsrecht).
Der Psychiater muss das aber wissen, will der aber nicht hier.
Die Formulierung und die Art und Weise sind zudem beleidigend (anonymes "Wir"), was stört "Euch" denn an meiner Gesundheit? Das ausführliche Beratungsgespräch per Post umfasst genau 25 Worte. Eine Chance, darauf zu antworten, hatte ich nicht. Frau Hohlbein sprach dann auch von "Anordnung", nur als angestellte Jobvermittlerin hat die nichts anzuordnen, dazu fehlen ihr die hoheitlichen Befugnisse. Das ist eine Amtsanmaßung und damit strafbar. Zumindest in tatsächlichen Rechtsstaaten.
Jobcenter forderte mich auf, mein Gewerbe auf "Erfinder" umzumelden. Da "Erfinder" kein Beruf sein kann ebensowenig wie Torschützenkönig, meldete ich es um auf: Entwicklung und Vertrieb von Gleichlaufgelenken für Maschinen und Motoren
Als Selbstständiger stehe ich damit dem allgemeinen Arbeitsmarkt aber sowieso nicht zur Verfügung, weil ich ja (potentieller) Arbeitgeber bin.
D.h. Jobcenter kann nicht sagen: Machen Sie sich selbstständig und gleichzeitig ohne Wirtschaftlichkeitsprüfung: Ihr neu gegründetes Unternehmen ist wirtschaftlich nicht tragbar. Und für Selbstständige hat Jobcenter die Möglichkeit, mit Existenzgründer-Zuschüssen zu helfen. Von den ca. 400 Euro pro Monat braucht ein erwerbsloser Existenzgründer keinen Cent in sein Start-Up-Unternehmen zu investieren, denn die 400 Euro sind für ihn zum Leben gedacht.
Und was gehen Businesspläne Ärzte an? Ingenieure sollen zuerst mein Gleichlaufgelenk begutachten und wenn das nicht geht, möchte ich dafür von Jobcenter eine Begründung hören.
Und auch behinderte Menschen haben Rechte und dürfen sich selbstständig machen.